“Dein Mikro ist noch aus!” – Über die “Digitalisierung” der Vereinsarbeit in Coronazeiten

Von Maximiliane Rink und Andreas Enders

Nachdem wir etwa ein Jahr lang als neuer Vereinsvorstand gearbeitet hatten, stellte Corona auch unser Vereinsleben auf den Kopf. Eigentlich wollten wir uns wie gewohnt einmal im Jahr in Präsenz irgendwo in Deutschland zu einer Vorstandssitzung treffen, um alte Projekte abzuschließen und neue Ideen für den Verein zu sammeln. Doch seit 2020 mussten wir uns – wie so viele Menschen in Haupt- und Ehrenamt – auf digitale Sitzungen umstellen. Nach einigem Herumprobieren der verschiedenen Plattformen und anfänglichem Fremdeln mit virtuellen Köpfen und Verbindungsgeschwindigkeiten ist diese Art der Kommunikation nun fast schon zu unserem neuen Standard geworden.

Zur selben Zeit hat sich die Situation im Libanon jedoch drastisch verschlechtert. So gab es bei unseren digitalen Sitzungen in Deutschland immer viele drängende Themen zu besprechen. Und nach der Explosion in Beirut im August 2020 fühlten wir uns gegenüber dieser komplexen Notlage geradezu hilflos. Wie konnten wir die Menschen im Libanon in der verheerenden wirtschaftlichen, gesundheitlichen und politischen Krise unterstützen? Relativ schnell mussten wir feststellen, unsere Mittel und Möglichkeiten sind begrenzt, unsere Ansprüche müssen realistisch sein. Unser Vereinszweck war dabei die größte Hilfe: Fokus auf die NEST! Nüchtern, aber konkret genug, um handeln zu können.

Seither stellen wir uns bei allen Ideen und Aktionen immer die Frage: Wie geht es den Menschen an der NEST? Was bewegt sie? Wie können wir sie ganz konkret unterstützen?

Auf der Suche nach Antworten nutzen wir einerseits unsere vorhandenen Ressourcen, versuchen zugleich aber unsere ehrenamtlichen Möglichkeiten nicht zu überfordern. Seit Beginn der Coronakrise haben wir – gemeinsam mit unseren Mitgliedern – unterschiedliche Aktionen auf den Weg gebracht:

  • Wir haben die Spendenaktion des EMS mit einer Foto- und Videoaktion verbunden, in der wir unsere Mitglieder baten, eine persönliche Erinnerung an den Libanon zu teilen. So konnten wir den Menschen hinter den Spenden ein Gesicht geben.
  • Wie jedes Jahr haben wir zwei weitere Bände der “EBR” (Encyclopedia of the Bible and Its Reception) persönlich an die NEST übergeben, was Dr. George Sabra aufgrund des Büchermangels im Libanon sehr erfreute.
  • Wir haben eine zweite Spendenaktion angestoßen, die konkret die an der NEST wohnenden Vollzeitstudierenden unterstützt. Sie leiden besonders unter der Situation, da sie nur wenig oder kein Geld hinzuverdienen können und die Inflation überwältigend ist. Dank zahlreicher Spenden unserer Mitglieder konnten wir sie mit einem verhältnismäßig hohen Taschengeld unterstützen, um den existenziellen Druck etwas zu mildern.

Zugleich blieben auch die klassischen Aufgaben des Vorstands in diesem Jahr nicht liegen – Kontakte pflegen, soziale Medien nutzen und Finanzen verwalten. Außerdem stand wieder unsere Mitgliederversammlung im Herbst im koptisch-orthodoxen Kloster in Höxter-Brenkhausen an. Dafür organisierten wir einen hybriden Vortrag mit anschließendem Gespräch mit dem armenischen Pfarrer Jirair Ghazarian, dessen Schilderungen direkt aus dem Libanon erhellend und bedrückend zugleich waren.

In dieser ganzen Zeit stellten sich aber auch bei uns privat viele große und kleine Änderungen ein, auf die wir als Vorstand flexibel reagierten: Es wurden coronakonforme Reisen in den Libanon organisiert, Kinder geboren und Arbeitsstellen gewechselt, Wohnzimmer zu Büros umfunktioniert und Doktorarbeiten geschrieben.

Während unserer Mitgliederversammlung in Höxter im Oktober 2021 waren wir dann also – nach Monaten im Chat und Videocall – endlich wieder ganz real an einem Ort versammelt. Trotz der Gewöhnung an digitales Tagen war sofort klar, wie sehr der persönliche Austausch gefehlt hatte und so schwelgten wir in Erinnerungen und freuten uns miteinander auf die kommenden Aufgaben und Treffen. Wir haben über die vergangenen fast zwei Jahre aber auch festgestellt, dass unsere Vorstandsarbeit zwischen Göttingen und München durch die Videokonferenzen schneller, unkomplizierter und vor allem effizienter geworden ist. Neben den so wichtigen Präsenz-Treffen werden wir die Möglichkeiten des digitalen Austausches also definitiv beibehalten. Damit sparen wir auch bares Geld, welches in dieser ungewissen Zukunft für den Libanon umso sinnvoller dem Verein und damit der NEST zugute kommt.