von Johannes Mieth, (ehemaliger SIMO-Studierender, Kassenprüfer bei Freude der NEST e.V.)
Auch wenn das Timing dafür nicht schlechter sein könnte, gibt es doch einen kleinen Hoffnungsschimmer für die Zukunft der Studienprogramme: Im Jahr 2023 konnten wir mit SiMO+ ein neues, zusätzliches Studienangebot initiieren und die ersten Teilnehmerinnen damit nach Beirut entsenden. Das Programm bietet die Möglichkeit kürzerer Aufenthalte von 3-6 Monaten an der NEST. Diese Aufenthalte haben jeweils einen von zwei Schwerpunkten: Entweder ein Forschungsprojekt (insbesondere das Verfassen von Seminar- und Abschlussarbeiten) oder ein Praktikum in einer kirchlichen oder zivilgesellschaftlichen libanesischen Organisation. Außerdem können bei beiden Schwerpunkten zusätzlich Kursangebote der NEST genutzt und am diversen, sozialen Leben der Hochschule teilgenommen werden, so dass auch dieses Programm eine Chance für echten Austausch bietet.
Dank einer Projektförderung durch die EKD konnten wir außerdem die Erstellung einer neuen Website beauftragen, mit der zukünftig beide Studienprogramme gemeinsam beworben werden können. Die neue Website mit allen Informationen zu SiMO und SiMO+ ist bereits online und HIER aufrufbar.
Bericht SiMO+ Praktikum im MECC
von Paulien Wagener, (SiMO+ April bis Mai 2023)
Die Idee für ein Praktikum im Libanon kam mir aufgrund meines Interesses an u.a. orientalisch-orthodoxen Kirchen und der konfessionellen Vielfalt im Libanon, die ein Kennenlernen verschiedener Kirchen ermöglicht. Der MECC als verbindende Organisation verschiedener Kirchen schien mir ein guter Ausgangspunkt, um Einblick sowohl in verschiedene Konfessionen als auch die Ökumene zu geben. Der Middle Eastern Council of Churches wurde 1974 als Gremium von Kirchen der protestantischen, orientalisch-orthodoxen und byzantinisch-orthodoxen Kirchenfamilien gegründet, mit Anschluss der katholischen Kirchen im Jahr 1990. Jede der Kirchenfamilien wird durch eine:n Präsident:in vertreten, diese nehmen gemeinsam die wichtigen Entscheidungen für die Arbeit des MECCs vor. Alle vier Jahre tagt die Generalversammlung, die diese Präsident:innen, das Executive Committee und den/die General Secretary bestimmt. Der MECC organisiert ökumenische Begegnung und Zusammenarbeit in Form von Gremien und theologischen Austausch, mehr jedoch durch diakonische Zusammenarbeit.
Für mein Praktikum arbeitete ich im Theological and Ecumenical Departement, das aktuell aus zwei Angestellten, eine davon mit einer halben Stelle, besteht. Meine Arbeit bestand überwiegend darin zunächst in die verschiedenen laufenden, geplanten und vergangenen Projekte des Departments eingeführt zu werden und anschließend Berichte wie Anträge Korrektur zu lesen und an Meetings teilzunehmen. Dabei habe ich mehr als erwartet Einblicke in die laufende Arbeit einer NGO wie dem MECC erhalten: Die Arbeit strukturiert sich, wie es oftmals auch in Deutschland der Fall ist, über verschiedene mittelfristige Projekte, im Umfang von mehreren Monaten oder wenigen Jahren. Diese Projekte werden, soweit ich erfahren habe, über geldgebende Institutionen aus Europa und Nordamerika finanziert, sodass ein beachtlicher Teil der alltäglichen Arbeit neben den notwendigen praktischen Planungen aus Anträgen, Dokumentationen und Meetings besteht. Der Leiter des Departments, Antoine Al Ahmar, ist zudem in verschiedenen ökumenischen Gremien, wie ATIME, aktiv und vertritt den MECC bei unterschiedlichen Veranstaltungen.
Das Praktikum im MECC war also zum einen eine große Bereicherung für mich durch den Einblick in die Organisationsstruktur, die Arbeitsweise und die verschiedenen Schwierigkeiten und Hindernisse, die einer solchen Organisation begegnen. Darüber hinaus habe ich durch die Arbeit beim MECC unterschiedlichste Partnerorganisationen, Kirchen und Personen direkt oder indirekt kennengelernt. Neben der Arbeit an sich haben sich die Mitarbeiter:innen immer wieder Zeit genommen mir nicht nur über ihre Arbeitsbereiche, sondern auch das Land oder ihre eigene Kirche zu berichten. Sie haben mir auch Kontakte zu Ortsgemeinden vermittelt, die ich besuchen konnte. Von den orientalisch-orthodoxen Christ:innen habe ich insbesondere mit armenisch-apostolischen Gläubigen zu tun gehabt, ansonsten hatte ich mehr Begegnungen mit verschiedenen katholischen und östlich-orthodoxen Christ:innen und Kirchen als ich vorher erwartet hätte, weil sie grundsätzlich im Libanon deutlich präsenter sind und auch im Büro des MECC von den orientalisch-orthodoxen Kirchen nur die Armenier durch Personal vertreten sind.
Leben an der NEST
An der NEST zu leben war eine sehr gute Ergänzung zu meinem Praktikum, weil ich hier zahlreiche soziale Kontakte finden konnte – sowohl Libanes:innen, Syrer:innen, Armenier:innen, als auch die deutschen SiMO-Studierende und andere international Studierende. Ich habe mich auf persönlicher Ebene sehr willkommen gefühlt, sowohl im Umgang mit den Studierenden, als auch mit den Mitarbeitenden der NEST. Sie haben sich immer nach meinem Befinden erkundigt und meine Fragen beantwortet. Insbesondere in Hinblick auf die Krise und die psychische Belastung, die dadurch entstand, habe ich großen Respekt für das Interesse und die Anteilnahme aller Mitarbeitenden an dem Ergehen der SiMOs.
Darüber hinaus habe ich an einer Exkursion zu Adyan, einer NGO für die Stärkung der Zivilgesellschaft durch interreligiöse Begegnung, teilgenommen, die Teil des Islam-Kurses der NEST war. Die Exkursion war auf vielen Ebenen interessant, weil wir sowohl einige Grundlagen zum Libanon gelernt als auch theologische Perspektiven sowie Projekte der NGO kennengelernt haben.
Die Situation im Libanon
Mein Aufenthalt im Land war angenehmer als erwartet; die Sicherheitslage schien mir vor Ort durchaus entspannter als ich angenommen hatte. Dadurch habe ich mit der Zeit immer öfter Ausflüge mit anderen gemacht oder bin alleine durch die Stadt gefahren. Die Menschen waren zu größten Teilen äußerst hilfsbereit, auch Fremde auf der Straße. Die Hilfsbereitschaft ebenso wie die Gastfreundschaft und der Wunsch als Land, als Gesellschaft einen positiven Eindruck bei Ausländer:innen zu hinterlassen hat mich sehr beeindruckt und bewegt, umso mehr innerhalb dieser Krisenzeit. Die gestiegene Kriminalität habe ich persönlich kaum zu spüren bekommen, sicherlich sollte man aber stets Vorsichtsmaßnahmen vornehmen. Die Krise(n) sind im alltäglichen Leben präsent und oft Thema in Gesprächen. Meine Erfahrung war gleichzeitig, dass die Menschen (der Oberschicht, die ich eher kennengelernt habe) ihre Sorgen nur begrenzt mit Außenstehenden teilen, weil sie sie nicht belasten wollen. Junge Menschen haben mir häufig von Plänen zum Auswandern, z.T. nach Europa, erzählt und viele Menschen haben mir als Anknüpfungspunkt von Verwandten und Freunden in Deutschland berichtet. So werden die Krise und die empfundene Aussichtslosigkeit im Libanon zur Brücke im Gespräch um Kontakt aufzunehmen.
Resümee
Im Laufe der zwei Monate habe ich viel vom Land gesehen und dabei u.a. über die Kontakte der SiMOs wie auch meine Praktikumsstelle immer neue Menschen kennengelernt. Besonders wichtig waren mir die zahlreichen Gottesdienste in verschiedenen Kirchen, ebenso auch religiöse Stätten und die materielle religiöse Kultur. Die Vielfalt an Landschaften und Naturspektakeln sowie historischen Stätten verschiedener Zeiten hat mich fasziniert. Darüber hinaus behalte ich den Libanon, die Migrationsbeziehungen zwischen Mittel- und Nordeuropa und dem Nahen Osten, sowie die ökumenischen Fragestellungen zwischen protestantischen und anderen im Libanon vertretenen Kirchen weiterhin im Blick und werde in diesen Feldern mein Promotionsthema abstecken.